Kleine Orgelkunde - der Hammond Sound
Was ist denn eigentlich mit "dem Hammond Sound" wirklich gemeint? Ist es der glockenklare Klang der Hammondorgel
"H100", mit dem Klaus Wunderlich in den 60-ern seine große Karriere begann? Ist es der noch ungefilterte Sound der
prominentesten Vorgängermodelle "B3" und "C3", die ihren Ursprungseinsatz in amerikanischen Kirchengemeinden
hatten, oder meint man damit den verzerrten Sound, der auf den Rockbühnen der späten 60-er durch übersteuerte Röhren
erzeugt wurde? Ist es der "Geradeauston" oder der schwebende Raumklang rotierender Lesliehörner und -Trommeln? Was
auch immer gemeint ist - all diese Klänge entstanden erstmals in einer Hammondorgel. Nicht weniger tragen die unzähligen
Klangeinstellungen einer Zugriegel-Orgel zur Charakteristik des Orgelsounds bei. Mit ihnen werden die Sinusklänge
unterschiedlicher Tonlagen, welche im Tongenerator entstehen, "gemischt" und aus der so erzeugten Summe entstehen die
Klangfarben. Je nach Orgeltyp stehen dem Instrumentalisten 6, 9 oder 11 Zugriegel (Drawbars) zur Verfügung. Drawbar
Organ Player verändern während des Musizierens die Einstellungen der Zugriegel. Der Sound verändert sich dabei oft
während des Erklingens. Die dadurch entstehenden Klangeffekte werden bewusst in das Klangerlebnis integriert.
Das Markenname Hammond wurde zum Synonym für elektronische Orgeln und man sprach im Volksmund generell von
"Hammondorgeln". Das ist vergleichbar mit Papiertaschentüchern. Egal von welchem Hersteller sie stammen, man spricht
immer nur einen bestimmten Namen im Zusammenhang mit dem Produkt.
Noch verworrener wurde die Terminologie durch den wachsenden Markt an Heimorgeln. Diese Instrumente hatten mit dem
als "Hammond Sound" beliebten Klang allerdings nichts mehr zu tun. Mit diesen Instrumenten richtete man sich auf eine
völlig andere Zielgruppe aus. Man versuchte damit lediglich Klänge von Orchesterinstrumenten möglichst originalgetreu
nachzuahmen. Begleitautomaten zogen in diese Instrumente ein und damit erschloss sich auch weniger begabten
Musikliebhabern der Weg zur Hausmusik, notfalls auch nur mit 2 Fingern. Diese Instrumente - ich nenne sie hier bewusst
nicht "Orgeln", sind im Grunde nichts weiter als Superkeyboards. Keyboards mit 2 Manualen und Basspedalen (oft nur mit
13 Tönen). "Zugpferde" bei Konzerten mit großen Showinstrumenten dieser Gattung waren Solisten, die freilich auch das
Musizieren mit Orgeln im eigentlichen Sinne beherrschten. Ihre Konzerte dienten oftmals als Werbeveranstaltungen der
betreffenden Hersteller. Aber kein Profi käme auf die Idee, mit einem solchen Instrument eine Jazz-, Blues- oder
Rockbühne zu betreten. Trotzdem bezeichnet man diese Instrumente allgemein oftmals als "Hammondorgel", was natürlich
nicht zutrifft.
Doch zurück zu den elektronischen (ursprünglich elektromagnetischen) Zugriegelorgeln, den Vintageorgeln mit Drawbars.
Deren "Hammond Sound" - oder besser "die einzelnen Hammond Sounds" entstehen nicht nur innerhalb der Instrumente.
Auch die unterschiedlichen, und ganz speziellen Spielweisen der Organisten sind es, die zu den einzelnen charakteristischen
Orgelklängen beitragen. Stile wie Gospel, Blues, Jazz, Rock und populäre Unterhaltungsmusik haben jeweils ihre Spielweise
und natürlich auch ihre ganz speziellen Interpreten.
Zahlreiche Modelle wurden gebaut. Die ersten wurden für Kirchen konzipiert. Später baute man Orgeln für
Studioaufnahmen, für Bühnen und für den Hausgebrauch.
Hier werden nur die wichtigsten Modelle davon erwähnt:
1955-1974 verließen die Modelle B3 und C3 das Hammond-Werk. Innerhalb dieser Zeit (1959-1965) wurde auch das Modell
A100 gebaut. Diese Orgeln bildeten den Mythos, der heute noch um den Begriff "Hammond-Orgel" weht. Ihre
Tonerzeugung und Klangformung ist identisch. 91 Frequenzen werden im Tongenerator erzeugt. Es gibt 2 Manuale mit je 61
Tasten. Jedes Manual hat links neben der Tastenreihe elf weitere, farblich invertierte Tasten. Mit ihnen können für jedes
Manual 9 festeingestellte Klangfarben (Presets) abgerufen werden. Es gibt für jedes Manual 2 Zugriegelsätze (Drawbars) mit
je 9 Zugriegeln und 2 Zugriegel für das 25-tönige Basspedal. Als Effekte waren Percussion und Scanner-Vibrato an Bord. Die
A100 war für den Heimbereich bestimmt. Zum Unterschied zur B3 und C3 gab es bei ihr zusätzlich ein Federhallsystem,
einen Endverstärker mit eingebautem Lautsprechersystem.
Die C3 wurde als Kirchenmodell und die B3 als Konzertmodell konzipiert. Sie unterscheiden sich lediglich in der
Gehäuseausführung. Technisch sind sie identisch.
Im Zeitraum zwischen 1955-1964 wurde auch das Modell M3 als Spinettmodell mit zwei Manualen a 44 Tasten und einem
12-tönigem Basspedal gebaut. Ihr Generator erzeugte 86 Frequenzen. Das Obermanual besitzt neun Zugriegel, das
Untermanual acht. Für den Bass gibt es einen Zugriegel. An Bord sind Percussion, Scanner-Vibrato und eine Verstärker-
Lautsprecheranlage.
Als Weiterentwicklung der M3 baute man zwischen 1964 und 1968 das Modell M100. Sie besitzt zusätzlich die invertierten
Presettasten, Hall und Zusatzschalter für Choruseffekte. Außerdem hat sie 13 Basspedale. Der Procol Harum Song "A
Whiter Shade of Pale" ist das wohl berühmteste Beispiel für diese Orgel. Matthew Fisher spielte dieses Stück auf einer
M100 ein.
1964-1972 wurde die L100 hergestellt. Technisch ähnlelt sie der M100, besitzt aber im Gegensatz zu dieser kein Scanner-
Vibrato und nur sieben Zugriegel für das Untermanual. Sie wurde oftmals als Hammonds "Billig-Spinett" auf den
Rockbühnen zu Showzwecken "maltretiert" und "mißbraucht". Als transportable Variante der L100 wurde die P100 mit
zweiteiligem Gehäuse als transportable Version gebaut.
Laurens Hammond's Patent auf den Tonradgenerator der nach ihm benannten Orgel verhinderte bis in die 70-er Jahre,
dass seine Orgel durch andere kopiert werden konnte. Kurz darauf wurde die Fertigung eingestellt. Weltweit hatte sich bis
dahin das Orgelmodell "B3" auf den Bühnen als "die Hammond Orgel" durchgesetzt. Ihr Sound wurde in der
Musikproduktion in den 80-ern und 90-ern immer mehr durch die synthetischen Klänge der Synthesizer verdrängt. Feiert
jedoch seit dem Ende des letzten Jahrzehtst wieder zunehmend an Popularität. In zahlreichen moderneren Produktionen
spielt der Hammond Sound wieder eine größere Rolle.
Die populärste Hammond-Orgel ist die legendäre B3. Elegant kann man sie mit ihren gedrechselten Beinen noch heute
unter den Händen und Füßen zusammen mit den weltbekanntesten Solisten auf den Bühnen sehen. Kaum einen
Keyboarder gab es in den 60-ern bis in die 80-er hinein, der nicht zumindest davon träumte, einmal an einem dieser
Instrumente zu sitzen. Es entwickelte sich ein regelrechter Kult und unter den Puristen ist es bis heute unbestritten, dass
man den Sound einer B3 wohl niemals kopieren könne.
Dieser Umstand führte dazu, dass man im Musikinstrumentenbau zunehmend versuchte, den "Hammond-B3-Klang"
synthetisch nachzuahmen. Zahlreiche Keyboards boten Presets an, die den Sound einiger Zugriegeleinstellungen der "B3"
nachahmen sollten - mit mehr oder weniger befriedigendem Erfolg. Später besann man sich auch wieder auf die Drawbars
und das dadurch ermöglichte Verändern des Sounds in Echtzeit. So entstanden spezielle "Stageorgeln" - Keyboards mit 9
Zugriegeln ausgestattet und meist nur einem Manual. Diese Instrumente nahmen ihren Einzug in zahlreiche Band-
Equipments. Ihr Sound war - zumindest durch Rotationslautsprecher ausgegeben - durchaus live-tauglich, zumindest auf
der Bandbühne. Für Solisten der Szene, die meist im Trio (Orgel, Schlagzeug und Gitarre) oder im Duo (Orgel und
Schlagzeug) oder sogar völlig alleine Konzerte gaben, waren diese Keyboards freilich nicht wirklich eine Alternative zur
"Hammond B3"
Der Orgelhersteller Hammond wechselte zwischenzeitlich wiederholt den Besitzer. Die nachfolgenden Orgelmodelle dieser
Marke spielten keine große Rolle mehr auf dem Orgelmarkt. Erst im Jahr 2000 gelang es - jetzt im Hause Hammond-Suzuki
- durch ein neues digitalisiertes Tonerzeugungssystem den ursprünglichen "B3-Sound" zu reproduzieren. Die B3 war in der
New-B3 wiedergeboren, versprach der Hersteller. Dabei scheute man nicht davor zurück, eine restauriertes Original zum
direkten Vergleich daneben zu stellen. Klang und Aussehen waren großartig. Sie glichen einander wie eineiige Zwillinge. Die
New-B3 spielt sich wie die alte B3. Die Bedienungselemente sind alle exakt am gleichen Platz und die Tastatur ist ein
Traum.
Das Jahr 2000 war auch für mich persönlich der Beginn einer neuen Epoche. In dieser Zeit begann ich meinen
musikalischen Weg im Profilager der Konzertorganisten. Lange Zeit überlegte ich, ob ich eine restaurierte B3 anschaffen
sollte, die letztendlich für die knappe Hälfte des Preises einer New-B3 zu haben gewesen wäre, oder ob ich eine New-B3
bestellen sollte. Der direkte Vergleich im Anhören und Anspielen überzeugte mich jedoch und ich überstand nur mit Mühe
die lange Wartezeit bis zur Lieferung. Das Instrument war zu dieser Zeit einfach ohne Alternative. Auch in Spielstätten, wo
man zwischen dem Original und einer New-B3 wählen konnte, entschied ich mich mit der New-B3 auf die Bühne zu
gehen. Das Instrument eroberte die Szene. Die Weltprominenz unter den B3-Künstlern wie z.B. Jimmiy Smith und Joey
DeFrancesco saßen alsbald auf ihren Bühnen an der New-B3. Auch in Fernsehstudios zog das Instrument mit seiner
neuartigen Tonerzeugungs-Technologie ein und man konnte sie zunehmend auf den Bühnen großer Bands entdecken.
Erst 4 Jahre später, bei der nächsten Musikmesse in Frankfurt/Main konnte man wirklich ernstzunehmende Alternativen
kennen lernen. Diese Tonerzeugung zog anschließend auch in kleinere und handlichere Keyboards ein und andere
Hersteller brachten ebenfalls ernst zu nehmende "Clones" auf den Markt. Heute freilich gibt es mehrere Alternativen zur
Marke Hammond - und wahrscheinlich werden es im Laufe der kommenden Jahre noch ein paar mehr werden.
Konnte man noch vor 5 Jahren den originalen Sound einer B3 schon beim flüchtigen Hören eines Musikstückes erkennen,
ist es heute auch dem geschulten Ohr nicht mehr wirklich möglich, zwischen einer Hammond B3, einer Hammond New B3
oder einer keyB DUO zu unterscheiden. Im Bandkontext wären für mich dann noch die Keyboards Hammond XK3c,
keyB MONO oder die FATAR NUMA ORGAN eine Alternative. Für Spieler, die fehlende Haptik echter Zugriegel nicht
stören, wäre noch die Clavi C3 eine befriedigende Lösung.
Trotzdem nennt man heute noch den betreffenden Klang "Hammond Sound" - obwohl er möglicherweise gar nicht von
einem Instrument dieser Marke stammt.
Auf der Musikmesse 2011 stellte Hammond seinen allerneuesten Wurf vor. Das Stage Keyboard mit einem Manual (SK1)
und die zweimanualige Version davon (SK2). Der Tongenartor der SK-Modelle ist baugleich mit dem der New-B3 Mark II
und der XK3c. Der Hammer!.
Zusätzlich haben die SK-Boards eine Kirchenorgel, den kultigen Farfisa- und Vox-Sound an Bord. Wunderschöne Klavier- u.
E-Pianos und Synthies runden das Ganze ab. Als ich dieses Modell in der zweimanualigen Version unter den Händen hatte
(und mit Basspedal unter den Füßen), war's um mich geschehen. Ich musste dieses Teil haben, zumal ich ja sowieso nach
einer kleinen Lösung für kleinere Gagenbudgets auf der Suche war.
Ganz hervorragend war das Timing, denn parallel dazu hatte mich die Firma Hammond Europa kontaktiert und bot mir
einen Endorservertrag an. Zunächst hatte ich dankend abgelehnt, weil ich mit den Vertragsbedingungen nicht glücklich
geworden wäre. Schließlich ging man im Hause Hammond doch noch auf meine Wünsche ein und seit dem bin ich einer von
wenigen Hammond-Endorsern ;-)